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Meinungen aus der Bevölkerung

Auch Leserbriefe waren in Zeitungen auszumachen. Ein Herr läutete am 30. März 1993 einen Disput mit folgendem Artikel (eins zu eins) ein:

Verkehrskadetten aus dem Verkehr ziehen

Regelmässig an Samstagen und an speziellen Anlässen mit scheinbarer Verkehrsüberlastung werden Verkehrskadetten eingesetzt. Wenn ich diese freiwilligen Helfer (was an sich lobenswert wäre) hinsichtlich Verhalten gegenüber Strassenbenützern und Passanten, der Klarheit in ihrer Zeichengebung sowie der Fähigkeit Verkehrssituation richtig zu beurteilen und richtig zu entscheiden beobachte, so sträuben sich mir Mal für Mal die Haare. Beispiel 1: das letzte Fahrzeug einer Zehnergruppe wird angehalten um einen Fussgänger passieren zu lassen – der Personenwagen fährt weiter – nach ihm kommt zwei Minuten kein Vehikel mehr. Beispiel zwei: eine Kolonne wird angehalten, um einen Fussgänger vorbeizulassen – fünf Meter hinter diesem Fussgänger kommen weitere Personen, die über die Strasse möchten. Vorerst dürfen jedoch vier Personenwagen vorbeirollen, bevor der nächste Unterbruch erfolgt. Die Liste der Beispiele liesse sich beliebig fortsetzten – beobachtet mal selbst. Aus dieser Situation folgere ich: Verkehrskadetten die die Verkehrslage nicht beurteilen können und somit auch nicht richtig entscheiden können, gehören nicht auf die Strasse. Sie behindern den Verkehrsfluss, anstatt Abhilfe zu schaffen. Also zieht sie schleunigst aus dem Verkehr.

Bruno Hermann, Obfelden

Darauf hat Urs Leupp (†1996), Aktuar der Verkehrskadetten Albis am 2. April 1993 geantwortet:

Erst besser überlegen, dann schreiben!

Im «Anzeiger» vom 30. März zieht Bruno Herrmann aus Obfelden gegen die Verkehrskadetten vom Leber und verlangt kategorisch, sie (oder zumindest einige von ihnen) seien «schleunigst aus dem Verkehr zu ziehen». Seine Forderung leitet er aus von ihm beobachteten Situationen ab, in denen die VK den Verkehrsfluss behindert haben sollen. Sein «Befehl» zeugt nicht gerade von einer differenzierten Denkweise.
Ich will nicht bestreiten, dass es VK gibt, denen solche «Fehler» unterlaufen; es sind schliesslich Jugendliche. Es gibt aber auch (nicht wenige!) Automobilisten, die sich um die Zeichengebung uns sei sie auch noch so klar – foutieren oder sich ganz allgemein im Verkehr nicht korrekt verhalten. Wendete man die gleiche Konsequenz an, müsste man sie allesamt «aus dem Verkehr ziehen». Dann wären Verkehrskadetten wohl aus Mangel an Arbeit überflüssig!
Ganz abgesehen davon, können solche «Fehler» auch dann beobachtet werden, wenn die Polizei den Verkehr regelt. Vor allem dann, wenn mehrerer Polizisten zusammenarbeiten müssen, weil die Verkehrsbeziehungen kompliziert sind. Wer dann nur aus der «Froschperspektive» seines eigenen Fahrzeugs die Lage beurteilt, verliert den Überblick über das Ganze. Ich nehme an, dass die Beobachtungen während des Markts am Kronenplatz in Affoltern gemacht wurden, wo eben verschiedene Interessen unter einen Hut gebracht werden müssen.
Übrigens, lieber Herr Herrmann, fragen sie einmal den Chef der Zürcher Verkehrspolizei, Major H.-P. Tschäppeler, was er von Ihrer Forderung hält!

Romi Amstutz aus Affoltern schreibt am 6. April 1993:

Verkehrskadetten aus dem Verkehr ziehen? Das ist doch lächerlich!

Verkehrskadetten aus dem Verkehr ziehen! Das ist ja wohl ein Aprilscherz, oder? Ich fand es doch sehr lächerlich, als ich diesen Leserbrief im «Anzeiger» las. Dieser Schreiber hat offensichtlich überhaupt keine Ahnung von der Tätigkeit der Verkehrskadetten. Im Gegenteil, es ist lobenswert, was diese jungen Burschen in ihrer Freizeit für ein kleines Entgelt leisten.
Nebst einer Verkehrsschulung durch die Polizei, Samariterkurs, Nothelferkurs und Funkkurs lernen sie auch noch das Ausfüllen von Unfallprotokollen. Sie sind der Polizei und den Verkehrsteilnehmern eine grosse Hilfe.
Ich glaube, dieser Schreiber ist entweder ein überzeugter Fussgänger oder ein ungeduldiger, intoleranter Automobilist, und solche gibt es ja genügend. Kritiker gibt es immer. Gerade die machen eine Sache erst interessant. Lächerlich wird das Ganze nur, wenn unnötige Forderungen gestellt werden, um seinen eigenen Missmut zu befriedigen.
Aus dem Verkehr ziehen sollte man ganz andeRe. Manche waren schon froh, bei Veranstaltungen einen Parkplatz zugewiesen zu bekommen. Ich jedenfalls stehe voll und ganz hinter dieser Organisation. Es braucht doch Idealismus, bei jeder Witterung für andere dazustehen. Und es wäre schön, wenn sich dieser Schreiber erst einmal bei den Verkehrskadetten in der Einsatzstelle in Obfelden umsehen oder an einer Generalversammlung teilnehmen würde.

Und zum Schluss noch Werner Furter aus Knonau, der am 16. April 1993 schrieb:

Verkehrskadetten besser ausbilden

In der Ausgabe vom 30. März kritisierte ein Leser die Arbeit der Verkehrskadetten und fordert deren Absetzung. Ich glaube, dieser Herr hat sich zu wenige mit dem Problem auseinandergesetzt.
Ich war in früheren Jahren selber sechs Jahre lang Verkehrskadett und zwar in Chur. Dort waren wir jeden Samstagnachmittag im Einsatz, und zwar auf Kreuzungen, welche auch diesen Namen verdienen. Damit wir aber erst einmal den Verkehr regeln durften, mussten wir uns einer strengen Grundausbildung durch die Stadtpolizei Chur unterziehen. Da wurde bereits die Spreu vom Weizen getrennt. Und genau hier, glaube ich, liegt das Problem der Verkehrskadetten Albis. Bei der Ausbildung! Und zwar bei der Verkehrsregelung. Die Zeichensprache ist undeutlich und oft «zweideutig». So wie die Kadetten heute ausgebildet sind, hätten sie zu meiner Zeit die Grundausbildung bei der Stadtpolizei Chur nie bestanden. Die unklare Zeichengebung verunsichert natürlich die anderen Verkehrsteilnehmer. Zu meiner Zeit galt das Motto: «Den Verkehrsfluss aufrechterhalten».
Doch was bei der Migros in Affoltern geboten wird, ist genau das Gegenteil. Wie kann man nur die Autos auf der Zürichstrasse warten lassen? Wenn der Parkplatz voll ist, dann ist er voll, und die Automobilisten müssen sich halt irgendwo anders einen Parkplatz suchen. So gesehen ist das nicht ein Problem eines einzelnen Kadetten, sondern vielmehr der Führung. Ich weiss genau, was ein einzelner Kadett alles leistet und wie viel Zeit er in sein Hobby steckt. Dass wir die Kadetten brauchen, scheint unbestritten, doch es kann auch besser gehen, davon bin ich überzeugt! – Hoffentlich nicht nur ich, sondern auch die Leitung der Verkehrskadetten.
Es wäre schade, wen man sagen müsste: «Aus Schaden wird man klug».